Tameshigiri

Jeder Liebhaber japanischer Katanas ist mindestens einmal in seinem Leben auf den Begriff Tameshigiri gestoßen, der manchmal auch als Tameshi giri geschrieben wird. Aber was genau bedeutet dieser Begriff? Welche düstere, blutige Realität verbirgt sich dahinter? Wird dieses Wort heute noch verwendet? Und vor allem: Wird es noch praktiziert? Auf welche Art und Weise? Wir werden mit Ihnen all diese Aspekte erörtern, damit Ihnen Tameshigiri und seine Bedeutung so vertraut sind wie einem Einheimischen in Japan.

Definition von Tameshigiri

Tameshigiri oder 試切 in japanischem Kenji geschrieben bedeutet Schnitttest. Wie der Name schon sagt, ist es eine Methode, um die Qualität einer Klinge zu testen, indem man einen Schnitt macht, der als Test dieser Klinge dient. Auf diese Weise kann man überprüfen, ob die Schärfe des Schwertes den Erwartungen entspricht. Manchmal wird diese Qualitätsprüfung der japanischen Schwerter auch als Kiridameshi bezeichnet.

Diese Praxis ist ein Teil der japanischen Rituale und stammt aus der großen Zeit der Samurai, der tapferen japanischen Krieger. Sie wird auch heute noch praktiziert, allerdings auf eine ganz andere Art und Weise. Heute geht es mehr darum, die Geschicklichkeit des Praktizierenden, seine Bewegungen und seine Technik zu testen als das Katana an sich.

Das Tameshigiri wird oft mit dem battōdō verwechselt, das die Kunst des Schneidens ist. Letzteres soll eigentlich die Qualität der Praxis des Katana-Schwingers messen, während ersteres ein Test ist, um die Qualität der Klinge zu überprüfen. Das eine konzentriert sich auf das Material und das andere auf die Praxis als Kunst.

Tameshi giri: eine uralte Methode

Tameshi giri

Die Praxis des Tameshigiri blühte besonders während der Edo-Zeit, also von 1600 bis 1868. Diese Klingentests wurden vor allem an Katanas und Wakizashis praktiziert, also für Daishōs, da man die Kombination Katana plus Wakizashi so nennt. Der Samurai, der auf diese Weise die Schwerter ausprobierte, konnte dies für sich selbst tun, um sich von der Schärfe seiner zukünftigen Waffe zu überzeugen. Der japanische Krieger konnte seine Tests aber auch auf Wunsch seines daimyō durchführen. Dann übte er den Tameshigiri an Katanas, die für die Armeen seines Kriegsherrn vorgesehen waren.

Zu dieser Zeit waren die Ziele für die Durchführung dieser Schnitttests Menschen. Meistens handelte es sich um Leichen, die man aufhäufte. Das waren zum Tode Verurteilte oder Kriminelle, die zuvor geköpft worden waren. Es kam aber auch vor, dass Passanten als Zielscheibe dienten. Wurden Spaziergänger Opfer dieser Machenschaften, wurde die Praxis als tsugi giri bezeichnet, was so viel wie "an der Wegkreuzung abschneiden" bedeutet.

Die verschiedenen Schwerter wurden mit verschiedenen Arten von Schnitten je nach dem vorgegebenen Winkel ausprobiert. Jeder dieser Pfade wurde mit seinem Namen aufgelistet. So wurde ein vertikaler Schnitt, der vom Oberkörper ausging, als kami tatewari bezeichnet, während ein vertikaler Schnitt, der von oben ausging, als shimo tatewari bezeichnet wurde. Sobald die Probe gemacht war, wurde die Anzahl der so geschnittenen Körper auf die Klingenseide, das Nakago oder 茎, geschrieben. Diese Zahl wurde mit einem mit einer Feile ausgeführten Strich oder in Form einer Spalte zusammen mit dem Datum, dem Namen des Versuchsleiters und dem Ergebnis des Schnitts eingetragen.

Wenn die Klingenversuche mit Leichen durchgeführt wurden, wurden diese auf einem Sandhügel mit einer Höhe von einem Shaku, also etwa 30 cm, aufgestapelt. Dieser Stapel wurde Dodan genannt. Damit die Leichen an Ort und Stelle blieben, wurden vier Bambusstücke befestigt, die die Zielscheiben festhielten. Diese Vorrichtung war der Hasamitake. Die Leistung der Klinge wurde also in der Anzahl der Körper und der Zentimeter notiert. Einige Schmiede, die besonders berühmt und stolz auf ihre Produktion waren, kamen zu dieser Prüfung, um ihr beizuwohnen. Zu diesem Zweck trugen sie einen weißen, zeremoniellen Kimono. Wenn die Klinge bei der Prüfung versagte, war dies eine solche Schande, dass die einzige Möglichkeit, ihre Ehre reinzuwaschen, Seppuku, der rituelle Selbstmord, war.

Das Tameshigiri in der heutigen Zeit

Tameshigiri Katana

Heutzutage ist die Schändung von Leichen ethisch nicht mehr vertretbar. Daher hat sich die Praxis des Tameshigiri weiterentwickelt. Man übt nicht mehr an menschlichen Zielen, die früher sogar tot waren. Die Schneideversuche werden nun auf Stroh-, Schilf- oder Reisbündeln durchgeführt. Manchmal wird ein Bambusstab durch das Bündel gesteckt, um die Struktur eines menschlichen Halses oder Knochens zu imitieren. Bambus hat jedoch einen Nachteil: Er kann nur in einem Winkel von 45° wirksam angreifen. Andere Schnitte führen nicht zu befriedigenden Ergebnissen.

Es werden keine anderen Pflanzenstängel verwendet, da der Saft einiger Pflanzen die Qualität der Klinge beeinträchtigen kann. Im Gegensatz zu dem, was manchmal im Internet zu sehen ist, ist es nicht möglich, dass Puristen ihre Katanas an einer Wassermelone oder anderem Obst oder Gemüse testen. Es werden keine Ziele außer Strohrollen oder Strandmatten verwendet. Diese müssen in Wasser eingeweicht und abgetropft sein. Die Matten müssen frei von jeglicher vorherigen Verwendung sein und dürfen keine Metallbefestigungen haben. So können weder Heftklammern noch Draht oder Sandkörner die Schärfe des Katanas beeinträchtigen.

Bei jedem Schneidetest ist ein Sicherheitsgebot erwünscht. Die Praktizierenden sind der Ansicht, dass der Bereich, in dem Tameshigiri geübt wird, mit einem Schießstand gleichgesetzt werden sollte. So sollten alle Sicherheitsregeln, die auf einem Schießstand üblich sind, nachgebildet werden. Insbesondere sollten sich mögliche Zuschauer auf Distanz halten. Ein Schwert kann immer unbeabsichtigt aus der Hand gleiten und dabei eine Strecke von mehreren Metern zurücklegen. Wenn man bedenkt, wie scharf ein japanisches Schwert ist, schaudert es einen bei dem Gedanken an die Folgen...

Aus diesem Grund wird empfohlen, dass sich niemand vor der Ziellinie aufhalten sollte, auch nicht an den Seiten. Auch das Publikum im hinteren Bereich sollte aus offensichtlichen Gründen nicht zu nahe an den Schwertschwinger herankommen. Vorhandene Zielscheiben und Abfälle aus den Schnitten werden separat aufgestellt, während die Säbel und ihr Reinigungsmaterial auf einem Tisch oder zumindest auf einer Unterlage wie einer Plane bereitgestellt werden. Auf diese Weise wird ein möglicher Unfall und eine mögliche Beschädigung des Säbels vermieden.

Denn auch die Sicherheit der Waffen steht auf dem Programm. Zu den Vorsichtsmaßnahmen gehört auch, dass die Klinge in gutem Zustand ist, da das Ziel von Natur aus feucht ist. Deshalb wird das Schwert nicht wieder in seine Scheide, seine Saya, gesteckt. Und natürlich wird am Ende der Prüfung eine sehr gründliche Reinigung durchgeführt. Der Arbeitsbereich wird sichtbar abgegrenzt und jedem Ziel wird ein Helfer zugeteilt, der die Matte auf der Unterlage befestigt und die Schnittabfälle entfernt.

Schließlich wird Tameshigiri in Anwesenheit eines Übungsleiters durchgeführt, der mindestens ein Shoden-Lehrer sein sollte. Er ist dafür verantwortlich, die Arbeit zu koordinieren, die Sicherheitsregeln zu beachten und die Position jedes Einzelnen zu überprüfen. Wenn er die Situation für gefährlich hält, greift er ein, und alle Teilnehmer bleiben auf sein Zeichen "Halt" oder "Yame" stehen, bis die Sicherheitsbedingungen wieder gewährleistet sind. Der Umgang mit dem Schwert und insbesondere Tameshigiri erfordert einen sicheren Umgang mit dem Katana. Einige Schulen sind der Ansicht, dass diese Übung nur von einem Yudansha praktiziert werden sollte. Andere Schulen verlangen jedoch mindestens zwei Jahre Übung, bevor sie die Schnittprüfung in Betracht ziehen.

In Japan wird alles, was mit dem Samurai zu tun hat, verehrt. Das gilt vor allem für das Schwert, das Gegenstand zahlreicher Traditionen ist. So ist auch die Praxis des Tameshigiri kodifiziert und wird als Kunstform angesehen. Das Faszinierende an der japanischen Kultur ist, dass sie eine Mischung aus Moderne und althergebrachten Riten ist, die sie in sich aufnimmt. Aus diesem Grund hat sich die Praxis des Katana, die aus der kriegerischen Zeit der Samurai stammt, über die Epochen hinweg weiterentwickelt und angepasst. So konnte das Tameshigiri oder der Test des Schnitts fortbestehen und zu unserem Vergnügen bis in die heutige Zeit gelangen.

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